Quantcast
Channel: Hans Ulrich Obrist – Seite Array – Das Magazin
Viewing all articles
Browse latest Browse all 142

Museummammy

$
0
0

Als Kimberly Drew in ihrer Heimatstadt New York Kunstgeschichte zu studieren begann, wurde ihr sehr bald bewusst, dass etwas fehlte. Denn die Künstler, die sie studieren sollte, waren allesamt weiss. Das, fand sie, könne nicht sein. So fasste sie den Entschluss, afroamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern wie etwa Jack Whitten oder Kerry James Marshall den Platz in der Kunstgeschichte zukommen zu lassen, den sie verdienen.
Noch während des Studiums startete sie den Blog «Black Contemporary Art», auf dem sie fast im Stundentakt schwarze Künstler der Öffentlichkeit vorstellte. Natürlich war sie nicht die Einzige, die das Ziel verfolgte, schwarzen Künstlerinnen und Künstlern mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Thelma Golden, Leiterin des grossartigen Studio Museum in Harlem, das sich vor allem den Werken afroamerikanischer Künstler verschrieben hat und wo Drew ein Praktikum absolvierte, war eine wichtige Mentorin.
Ihren Lebensweg – sie ist 1990 geboren – schildert Drew in ihrem Buch «This Is What I Know About Art», einem schmalen, zugänglichen Band, der in den USA einschlug wie eine Bombe und bereits nach wenigen Tagen vergriffen war. Drew erzählt darin auch von einem Erlebnis mit ihrer Mutter, mit der sie einmal das Whitney Museum in New York besuchte. Als ihre Mutter ihr erzählte, dass sie seit zwanzig Jahren nicht mehr in ein Museum gegangen war, sei das ein Schock für sie gewesen: Es habe ihr signalisiert, dass die Museen für grosse Teile der schwarzen Bevölkerung ein Ort weisser Kultur sind.
Also begann sie, auf Instagram unter dem Namen @museummammy sämtliche Werke afroamerikanischer Künstler zu posten, die sie in Museen, Ausstellungshäusern und Galerien in New York finden konnte. Die enorme Resonanz ihrer mittlerweile 289 000 Follower brachte ihr den Job der Social-Media-Beauftragten des Metropolitan Museum ein, eines der grössten Museen der Welt.
Inzwischen hat sie sich einen internationalen Ruf erworben, als Aktivistin, die ihre Mission mit grenzenloser Energie verfolgt und mit einem Ziel vor Augen, für das sie Tausende begeistert. Ihr Buch endet programmatisch mit den Worten des afroamerikanischen Künstlers Thornton Dial:
Wenn es eine Sache gibt, die du tun kannst, dann tue sie für jemand anderen. Arbeite für die Freiheit eines anderen, für das Kind eines anderen.

Kimberly Drew: This Is What I Know About Art. Penguin Books 2020.

Hans Ulrich Obrist ist künstlerischer Direktor der Serpentine Galleries in London.

The post Museummammy appeared first on Das Magazin.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 142

Latest Images

Trending Articles





Latest Images